Im Jahr 2011 verabschiedete der US Kongress und Präsident Obama den Food Safety Modernization Act (FSMA). Dieses bahnbrechende Gesetz gibt der US Food & Drug Administration (FDA) grundlegend neue Befugnisse zur Überwachung und Regulierung von Lebensmitteln, die in den USA hergestellt oder vertrieben werden. Die Behörde brauchte immerhin fünf Jahre, um das Gesetz in umzusetzen. Hier sind die drei wichtigsten Eckpunkte:
- Die Verantwortung und Haftung bei Ausbrüchen von Lebensmittelvergiftungen liegt nun ausschliesslich bei Herstellern, Importeuren, Großhändlern und Transportunternehmen, nicht bei der FDA
- Die FDA hat nun die uneingeschränkte Befugnis, Lebensmittelbetriebe oder Importfirmen in den USA zu schliessen, wenn diese den Vorsorge und Kontrollpflichten nicht nachkommen und eine Gefahr für die Allgmeinheit darstellen.
- Eigentümer und Angestellte von Betrieben und Importeure, die nachweislich und vorsätzlich vergiftete Lebensmittel vertreiben, werden nun immer häufiger und rigoroser vor Gericht gestellt und, wenn schuldig befunden, zu langen Haftstrafen verurteilt.
Wir können nur mit Nachdruck allen deutschen und europäischen Herstellern von Lebensmitteln, die von der FDA überwacht werden, empfehlen, die neuen Regeln des Food Safety Modernization Acts zu lesen, zu verstehen und umzusetzen. So kann vermieden werden, dass Lieferungen an der Grenze hängenbleiben, FDA Kontrollen nicht bestanden werden oder US Handelskunden Aufträge stornieren oder andere Lieferanten bevorzugen.
Die folgenden Fragen und Antworten fassen die wichtigsten Bestandteile und Auflagen der FSMA Vorschriften zusammen.
Was schreibt FSMA vor?
FSMA reguliert drei Hauptbestandteile bei der Lebensmittelherstellung:
- Current Good Manufacturing Practices – CGMP (Gute Herstellungspraxis/ Qualitätsmanagementsysteme)
- Hazard Analyis (Gefahrenanalyse)
- Risk Based Preventive Controls for Human Foods (Auf Risiken basierende Vorbeugungsmaßnahmen für die Herstellung von Lebensmitteln)
Ab wann müssen die FSMA Verordnungen befolgt werden?
Seit September 2015 sind diese Verordnungen für alle gesetzlich verpfichtend.
- Ab September 2016 müssen alle Hersteller mit mehr als 500 Mitarbeitern die Vorschriften erfüllen
- Ab September 2017 müssen kleine Betriebe mit weniger als 500 Mitarbeitern und über $1 Millionen Umsatz die Vorschriften erfüllen
- Ab September 2018 müssen alle Kleinstunternehmen mit Umsätzen unter $1 Millionen oder sogenannte “qualified facitities” (z.Bsp. Bauernhöfe mit Lebensmittelherstellung) die Vorschriften erfüllen
Wer muss die neuen FSMA Vorschriften befolgen?
- Alle Betriebe in den US, die Lebensmittel (siehe Punkt 4) herstellen, weiterverarbeiten, verpacken, lagern, und transportieren, also bei der FDA registriert sind
- Alle US Importeure von ausländischen Lebensmitteln, die nun verpflichtet sind, die Sicherheit der von ihnen eingeführten Produkte zu überprüfen und für deren Sicherheit haftbar gemacht werden.
- Alle ausländischen Hersteller, die bei der FDA registriert sind und Lebensmittel (siehe Punkt 4) in den USA vertreiben. Nach letzter Schätzung sind das rund 114,000 Betriebe in 200 Ländern. Über kurz oder lang müssen alle ausländischen Betriebe von der FDA inspiziert werden (oder im Auftrag der FDA von einheimischen Organisationen). Wenn Betriebe die Inspektion nicht bestehen, kann die FDA die Registrierung löschen – und damit dürfen diese Betriebe dann keine Lebensmittel mehr in die USA vertreiben oder verkaufen.
Welche Lebensmittelkategorien unterliegen den FSMA CGMP Vorschriften?
- Zutaten für Nahrungsergänzungsmittel
- Säuglingsnahrung
- Getränke
- Früchte und Gemüse
- Fisch und Meeresfrüchte
- Milchprodukte
- Backwaren
- Snacks
- Süsswaren
- Gesäuerte und schwachsaure Lebensmittel
- Wildfleisch
Wer muss die neuen FSMA Vorschriften nicht, oder nur zum Teil, befolgen?
- Sehr kleine Betriebe (mit Umsatz unter $1 Millionen) und sogenannte “qualified facilities” mit Umsatz unter $500,000 müssen den FSMA Food Safety Plan nur bedingt erfüllen
- Hersteller von Fleisch- und Eiprodukten, die vom US Department of Agriculture überwacht werden
- Hersteller/Exporteure von Fischen und Meeresfrüchten, die die sogenannten Seafood HAACP Verordnungen befolgen müssen
- Hersteller/Exporteure von Fruchtsäften, die die sogenannten Fruit HAACP Verordnungen befolgen müssen.
- Hersteller/Exporteure von schwachsauren Lebensmitteln, die für mikrobiologische Gefahren die Low Acid Canned Food Verordnungen erfüllen müssen (sie benötigen ein spezielles Zertifikat der FDA), für alle anderen Gefahren aber den FSMA Verordnungen unterliegen
- Hersteller/Exporteure von Nahrungsergänzungsmitteln (die unterliegen den Nutritional Supplement Good Manufacturing Practices)
- Hersteller/Exporteure von alkoholischen Getränken (die unterliegen den Vorschriften des Alcohol and Tobacco Tax and Trade Bureau – TTB)
Wie müssen die FSMA Vorschriften befolgt werden?
Alle o.g. Betriebsstätten müssen eine sogenannten Food Safety Plan erstellen, der die folgenden Themen behandelt
- Hazard Analysis: Eine Analyse der Gefahren bei der Herstellung, Verabeitung, Lagerung, dem Einkauf von Zutaten und Transport, die zu Lebensmittelvergiftungen führen können
- Preventive Controls: Eine Liste und Zusammenfassung aller Präventivmassnahmen, um die analysierten Gefahren zu verhinden.
- Risk-based Supply Chain Program: Ein Plan zur Überwachung und Gefahrenvermeidung Ihrer Lieferkette – ein Schritt zurück, ein Schritt vorwärts
- Recall Plan: Ein Plan für den Fall einer Rückrufaktion. Die Anzahl von freiwilligen oder angeordneten Rückrufaktionen von Lebensmitteln hat sich seit FSMA mehr als verdreifacht.
- Monitoring the Implementation of Preventive Controls: Eine Beschreibung der Massnahmen zur Präventivkontrolle
- Verification of the effectiveness of preventive controls: Eine Beschreibung der Verfahrensweise zur Überwachung der Wriksamkeit von Präventivkontrollen und deren eventuellen Anpassungen
Je größer der Betrieb und je mehr Umsatz in den USA gemacht wird, desto eher wird empfohlen, diesen Food Safety Plan in englischer Sprache zu erstellen.
Wie unterscheidet sich der FSMA Food Safety Plan von Überprüfungen großer Handelsketten, also den Audit Standards der Global Food Safety Initiative (GFSI), zum Beispiel IFS, BRC, FSSC 22000, oder SQF ?
Der FSMA Food Safety Plan muss von einem/r designierten Experten/in für Qualität und Lebensmittelsicherheit (qualified individual) erstellt werden. GFSI Standards, wie IFS, BRC, SQF, oder FSSC22000, decken fast alle FSMA Vorgaben ab (Exec summary IFS FSMA Comparative Analysis May 2016f). Es ist aber ratsam, dass sich die Betriebsexperten mit den Prüfungsfirmen oder den MItarbeitern der GFSI Standards auseinandersetzen und herausfinden, welche FSMA Vorgaben sonst noch erfüllt werden müssen.
Hazard Analysis: Welche Gefahrenquellen müssen identifiziert werden ?
- Biologische – speziell mikrobiologische Gefahren, wie Parasiten, Bakterien, Viren und andere Pathogene aus der Umwelt
- Chemische – Nukleare Verseuchung, Pestizide, Arzeneimittelrückstände, natürliche Giftstoffe (wie Mycotoxine), Verwesung, nicht genehmigte Farbstoffe oder Zusatzmittel, nicht deklarierte Allergene
- Physische – Steine, Glas, Metallfragmente
Hazard Analysis – Bei welchen Aktivitäten müssen Gefahrenquellen analysiert und bewertet werden?
Hier sind ein paar Beispiele:
- Lebensmittelzutaten – Säure oder Zusatzstoffe, die den Wachstum von Mikroorganismen verhindert oder diese abtöten. Manche dieser Zutaten können Allergien erzeugen
- Zustand, Funktion und Design des Betriebs oder der Maschinen – Lose Teile, die schlecht gereinigt werden, können Pathogene beherbergen. Machinen mit Metallteilen können Metallsplitter erzeugen
- Reinigung, Hygiene – Chemikalien während der Reinigung können in Lebensmittel greaten. Ungewaschene Hände von ungeschulten Mitarbeitern können zu Vergiftungen führen
- Zutaten – kontaminierte Zutaten, die nicht gescheckt wurden, können das fertige Lebensmittel vergiften
- Transportwege – Ungenügende Temperaturkontrollen während des Transports von Lebensmitteln können diese vor derm Verkauf verderben oder schädliche Krankheitserreger hervorbringen.
- Herstellungsprozess – Ungenügende Kühlung, Erhitzung oder Lagerung kann Krankheitserreger oder Giftstoffe hervorbringen.
- Verpackung und Etikettierung – Glasverpackung kann splittern. Fehler bei der Gestaltung, dem Druck und dem Anbringen von Etiketten können dazu führen, das Allergeninformationen für Verbraucher nicht verfügbar oder lesbar sind
- Lagerung und Distribution – Ungenügende Kühlung bei heissen Temperaturen oder während des Transports
- Vorhersehbare Benutzung des Produkts – Manche Lebensmittel, die gekocht werden sollten, werden auch manchmal roh gegessen. Hinweise müssen auf den Verpackungen erscheinen, die vor einem vorhersehbaren, unsachgemässen Verzehr des Produkts warnen
- Umweltverschmutzung – in bestimmten klimatischen Zonen können Krankheitserreger aus der Luft bestimmte Lebensmittel, die gleich verzehrt werden, kontamiieren.
Preventive Controls: Was muss im FSMA Food Safety Plan enthalten sein?
- Kontrollen an kritischen Kontrollpunkten (CCP – Critical Control Points)
- Kontrollen ausserhalb der CCPs, an Punkten, die eenfalls kritisch für die Lebensmittelsicherheit sein können
Darunter fallen:
- Parameter und Kontrollen bei Kochprozessen, wie zum Beispiel Erhitzung, Säurung, Radiologische Behandlung, Kühlung
- Allergenkontrolle, Vermeidung von Cross-Kontamination, Kontrolle der Etiketten
- Kontrolle der sanitären Massnahmen
- Kontrolle der Lieferkette (supply chain program)
- Auswahl von Lieferanten, die den FSMA Verordungen entsprechen
- Regelmässige/jährliche Kontrolle der Sicherheit von Lieferantenprodukten
- Möglicherweise direkte Audits der Betriebe von Lieferanten
- Labortests und Bemusterung
- Überprüfung der Sicherjeitsprotokolle von Lieferanten
- Kontrolle bei Rückrufaktionen:
- Benachrichtigung der direkten Kunden,
- Benachrichtigung der Öffentlichkeit,
- Kontrolle der Wirksamkeit des Rückrufs,
- Kontrolle der Vernichtung der rückgerufenen Lebensmittel
- Kontrolle der Schulung und Training von qualifizierten Mitarbeitern
- Laut FSMA dürfen nur Mitarbeiter, die in “risk-based preventive controls,” Lebensmittelsicherheit und –hygiene geschult wurden, einen FSMA Food Safety Plan erstellen und dokumentieren.
- Das Management eines Betriebes muss sicherstellen, dass die qualifizierten MItarbeiter für die Erstellung eines FSMA Fod Safety Plans entsprechend geschult werden oder von ausgebildeten Vorgesetzten betreut werden
Preventive Controls – Protokollierung
Die Dokumentation der Kontrollen und Massnahmen im Präventivsystem ist eine der wichtigsten Komponenten der FSMA Verordnung. Bei FDA Audits müssen die entsprechenden Protokolle der folgenden Aktivitäten vorgezeigt werden:
- Überwachung (Monitoring) der Kontrollpunkte und der Kontrollen
- Massnahmen zur Vermeidung und Beseitigung von potentielle Gefahren
- Sicherstellung und Bestätigung dieser Massnahmen
- Labortests und Umweltüberwachung
- Protokollführung
Wenn ein Betrieb bestimmte Lebensmittel an Weiterverarbeiter zuliefert und diese Weiterverarbeiter die oben genannten Präventivkontrollen zur Lebensmittelsicherheit durchführt, dann braucht der Zulieferbetrieb diese Protokollierung nicht durchführen.
Die Kontrollpflicht der Importeure
Eine der Säulen des Food Safety Modernization Acts ist das sogenannte “Foreign Supplier Verification Program”. Damit werden alle Importeure verpflichtet, die Sicherheit von Lebensmitteln zu überprüfen.
Die deutschen/europäischen Lieferanten von Importeuren, Großhändlern und EInzelhändlern sollten eine Kurzversion des Food Safety Plans Ihren Kunden senden, damit diese ihren Pflichten des Foreign Supplier Verification Programs nachkommen.